Armut bedeutet hierzulande für Kinder meist nicht, kein Dach über dem Kopf oder kein Essen zu haben – die existenzielle Grundversorgung ist in der Regel gewährleistet. Arm zu sein heißt aber, auf vieles verzichten zu müssen, was für Gleichaltrige ganz normal zum Aufwachsen dazugehört.
Die materielle Dimension
Die materielle Dimension von Armut bezieht sich auf Wohnraum, Nahrung und Kleidung. Die Wohnverhältnisse geben Raum sowie Rahmen für das tägliche Leben und Lernen und haben daher enorme Bedeutung für die körperliche, gesundheitliche und psychische Entwicklung eines Kindes. 239.000 armutsgefährdete Kinder und Jugendliche bis 17 Jahre wohnen in überbelegten Wohnungen. 306.000 von ihnen lauten, 130.000 in dunklen und 221.000 sogar in feuchten/schimmelbefallenen Wohnungen. Rund ein Viertel der Kinder erhalten keine ausgewogene Ernährung und keine neue Kleidung, wenn die alte abgetragen ist. All diese Faktoren haben negative Auswirkungen auf Gesundheit, Wohlbefinden, Lernerfolge und Selbstwertgefühl.
"Also ich bin unzufrieden, weil vielleicht könnt ich doch eher meine Wohnung verlieren, also unsere Wohnung und davor hab ich Angst."
Mädchen, 9 Jahre, Wien
Die soziale Dimension
Die soziale Dimension beschreibt die Einbindung eines Kindes in sein soziales Umfeld, die Entwicklung sozialer Kompetenzen und Kontakte. Doch Armut schließt von vielen sozialen Aktivitäten aus. Kommt niemand zum Geburtstag, oder kann man nicht mit auf Schulskikurs fahren, manifestiert sich nachhaltig ein Gefühl des nicht dazu Gehörens. Armutsbetroffene Kinder und Jugendliche leiden an der Ausgrenzung aus der Gemeinschaft – eine enorme psychische Belastung. Hinzu kommt der Stress, ihre Armut verbergen zu wollen. Sie vermeiden Treffen mit Freunden, weil sie sich schämen, nichts konsumieren zu können oder nichts zur Party mitbringen zu können. Die Gefahr ausgegrenzt und isoliert zu werden, ist drastisch erhöht. Das soziale Leben ist schlichtweg eingeschränkt.
"Dass wieder mal boa Lüt zu mien Geburtstag ko, weil sit drei oder vier Johr isch koana mehr zu mien Geburtstag ko, also in da Volksschul sin halt immer no welche ko, aber jetzt überhaupt koana mehr."
Bub, 12 Jahre, Vorarlberg
Die kulturelle Dimension
Die kulturelle Dimension umfasst die kognitive Entwicklung, insbesondere den Zugang zu Bildung und Sprache sowie den Erwerb kultureller Kompetenzen. Bildung wird in Österreich im Vergleich zu anderen Industriestaaten überdurchschnittlich vererbt. Kinder aus bildungsfernen Haushalten erreichen seltener einen Hochschulabschluss. Ihre sozialen Aufstiegschancen sind geringer. Die Bildungschancen sind ungleich verteilt. Hinzu kommt, wer in der Schule nicht dazu gehört, läuft auch Gefahr die Schule vorzeitig abzubrechen.
"In der Schule ist es so, dass weil ich immer so oft krank bin, das ich nicht so weit mitkomme und deswegen immer viel nachmachen muss."
Bub, 13 Jahre, Kärnten
Die gesundheitliche Dimension
Die gesundheitliche Dimension schließlich gibt Auskunft über die physische und psychische Gesundheit sowie über armutsbedingte Beeinträchtigungen. Ergebnisse einer Umfrage unter ÄrztInnen zeigen etwa, dass armutsgefährdete Kinder sich häufiger weniger gesund und weniger leistungsfähig fühlen, ein höheres Verletzungsrisiko haben und auch häufiger unter chronische Krankheiten leiden.
"Manchmal hab ich Bauchschmerzen … immer wenn ich traurig bin, bekomm ich halt die Bauchschmerzen."
Mädchen, 11 Jahre, Wien